Bei mir genau andersrum. Habe BCS nur wegen den Gus-Szenen geschaut. Die ganze Geschichte um Jimmy ist für mich ein riesengroßes Fragezeichen. Der ist für mich bis heute ein komplett unlogischer Charakter. Es fehlt komplett ein nachvollziehbares Motiv für diesen unreifen Schrott den er abzieht. Ich kann es garnicht in Worte fassen - worum geht es Jimmy? Was treibt ihn an? Kindische Streiche spielen? Leute betrügen, obwohl er aber doch gleichzeitig so ein netter, fairer Typ ist? Kleinkriminellen Schabernack abziehen, aber den Omis im Altersheim trägt er die Taschen heim? Ich kapiers nicht. Das fehlt doch ein logisches Motiv das einen Menschen antreiben kann. Es gibt gute Gründe kriminell zu sein, aber keines davon trifft auf Jimmy zu. Walt aus BB wollte erst Geld und später Macht und Respekt. Jesse wollte Kohle und Stoff und kam später nicht mehr raus. Tuco ist ein perverser Soziopath. Und so weiter. Aber bei Jimmy gibt es kein logisches Motiv.
Es gibt natürlich Menschen die es geil finden andere zu betrügen, aber da stecken Machtfantasien dahinter und Jimmy ist so überhaupt nicht. Er hatte die Möglichkeit Macht über andere zu haben und hat es nicht ausgenutzt.
Es geht Jimmy auch nicht nur ums große Geld, sonst wäre er bei der Schnöselkanzlei als Partner geblieben und wäre generell anders mit seinem großen Fall umgegangen.
Geht es ihm darum sozialschwachen Leuten als Anwalt zu helfen? Warum hilft er ihnen dann dabei kriminell zu sein obwohl er selbst eigentlich ein total intaktes Wertesystem hat?
Jimmy ist auch nicht habgierig. Er ist kein emotionsloser Soziopath. Er ist nicht prunksüchtig. Er hat Spaß an seinen Streichen, aha.
Ja, es geht ihm irgendwie nebulös um die Anerkennung seines Bruders, aber da bereits sein Bruder nicht in der Lage ist zu benennen was denn eigentlich sein konkretes Problem mit Jimmy ist, macht es das ganze nicht besser.
Allgemein illustriert das Verhältnis der beiden Brüder sehr gut die Schizophrenie der Serie. Der Bruder behandelt Saul wie ein Vater sein drogensüchtiges Kind, das immer und immer wieder rückfällig wird und dann irgendwann fallengelassen werden muss. Anleihen bei Jesse Pinkman aus Breaking Bad. Das Problem ist aber halt, dass Saul ja überhaupt kein Junkie ist und auch sonst keine auffälligen Probleme hat. Also ist das Problem des Bruders, dass Saul immer wieder kriminelle Dinge macht. Und warum macht Saul kriminelle Dinge? Niemand hat eine Antwort darauf.
Fassen wir zusammen: Sauls Bruder respektiert Jimmy nicht, weil dieser kleinkriminell ist. Saul ist kleinkriminell, weil sein Bruder ihn nicht respektiert? Es macht einfach keinen Sinn. Für mich wirkt es so als wollte man halt einfach einen Charakter haben, der charakterlich total integer aber gleichzeitig auch kriminell ist. Und das schließt sich nunmal gegenseitig aus. Wenn jemand kriminell ist, dann ist da immer irgendein charakterliches Defizit, wenn man von Robin Hood-Typen mal absieht, aber so ist Jimmy ja auch nicht. Ich sehe das charakterliche Defizit bei Saul nicht. Bei Trickbetrügern hat man in der Regel eine Mischung als Habgier und Egothemen (wenn man jemanden betrügt stellt man sich damit in gewisser Weise über ihn). Jimmy hat mit beidem keinerlei Probleme. Wenn es so wäre hätte er sich grundlegend anders in etlichen Dingen verhalten.
Was übrigens auch keinen Sinn macht, das kann mir aber sicher jemand erklären, weil da hab ich einfach nicht aufmerksam genug zugeschaut: Was zur Hölle ist sein Problem mit Howard? Ich kapiere es nicht. Worum geht es Kim und Jimmy? Ist ihnen Howard unsympathisch weil er so ein Saubermann ist...ok...brutal überzogen, sorry. Sowohl Kim als auch Jimmy sind totale Menschenfreunde. Schaut euch an worauf Kim alles verzichtet aus altruistischen Gründen. Und so jemand zieht dann aus dem systematischen Mobbing eines Menschen so eine emotionale Befriedigung. Wenn Howard wenigstens ein Arschloch wäre - ist er aber überhaupt nicht.
Durch BCS zieht sich wie ein roter Faden, dass die Beweggründe der Charaktere keinen Sinn machen.
Das gab es so ähnlich übrigens auch in BB schon.
Jesse ist ein überemotionales Sensibelchen, seine irrationalen Übersprunghandlungen sind nachvollziehbar. Es gibt solche Menschen, die nur aus dem Bauch heraus entscheiden und Jesses Leben ist das Resultat davon.
Aber Walt ist so ja eindeutig nicht. Die komplette spätere Handlung von BB existiert aber nur, weil sich Walt entschieden hat, sich gegen Gus zu stellen, als Jesse komplett durchgedreht ist und die beiden Dealer abknallen wollte. Das war der Wendepunkt ab dem es extrem kompliziert wurde. Warum hat der überrationale Walt das getan? Die beiden haben eine gemeinsame Vergangenheit, sicherlich. Aber Jesse hat Walt kurz zuvor noch dreist erpresst und noch wichtiger: Jesse hat zu diesem Zeitpunkt nie sonderliche Gefühle für Walt gezeigt. Und andersherum genauso wenig. Die waren ja nichtmal befreundet. Die waren eine Zweckgemeinschaft und Walt hielt Jesse für einen dummen Junkie und Jesse Walt für einen langweiligen Boomer. Aufgrund der gemeinsamen Vorgeschichte finde ich es nachvollziehbar, dass Walt Jesse nicht einfach umbringen lässt, als dieser ihn erpresst - Gus hätte das ohne mit der Wimper zu zucken erledigt. Ich finde auch nachvollziehbar, dass Walt versucht zwischen Gus und Jesse zu vermitteln. Aber die Aktion mit dem Auto...nein, das war too much. Ganz besonders weil Walt dann sehr kurze Zeit als Typ dargestellt wird, der über Leichen geht und auch noch Spaß daran hat.
Rant Ende.
Sowohl BB als auch BCS sind Serien die man sich sehr gut ansehen kann. BB fand ich wesentlich besser, aber BCS war auch gut. Aber Vince Gilligans Umgang mit den Charakteren mag ich nicht. Die sind mir zu unlogisch. Das scheint sein Markenzeichen zu sein.