Und es ist auch längst nicht jede Person genetisch suszeptibel, also prinzipiell anfällig, für eine SARS-CoV-2-Infektion oder -Erkrankung und deshalb
kann die Ereignisrate im Kontrollarm niemals 1 bzw. 100% erreichen, so dass sie in einem Spezialfall ausnahmsweise wirklich dem Relativen Risiko entsprechen würde:
https://eurjmedres.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40001-021-00516-8/tables/1
Heiße Kandidaten für die genetische Immunität gegenüber Goronner sind z.B. bestimmte Genvarianten (Allele) der Transmembranen Serinprotease, Subtyp 2, (TMPRRS2) und des Humanen Leukozyten-Antigen-Systems, HLA-A*02:02 (1,1% Allelfrequenz weltweit), HLA-B*15:03 (0,63%) und HLA-C*12:03 (3%):
https://journals.asm.org/doi/full/10.1128/JVI.00510-20
Zudem scheitert seine Behauptung von 7% schwer erkrankten Geimpften in Israel bereits an einer einfachen Plausibilitätsrechnung:
Israel hat ca. 9 Mio. Einwohner, von denen zum damaligen Zeitpunkt ca. 60% geimpft waren, also eine absolute Zahl von 0,6 * 9 Mio. = 5,4 Mio. Geimpften. Falls zum damaligen Zeitpunkt 7% dieser 5,4 Mio. Geimpften schwer erkrankt waren, dann wären die israelischen Krankenhäuser von 0,07 * 5,4 Mio. = 378.000 Geimpften überrollt worden, was offensichtlich nicht der Fall war.
Unser Hobby-Epidemiologe ist also bereits mit einfachen Grundlagendefinition der medizinischen Statistik, und damit der Epidemiologie, die sich im Gegensatz zur individuenbezogenen, klinischen Medizin ja ganz dezidiert mit krankheits- und behandlungsrelevanten Parametern auf Populationsniveau befasst, massiv überfordert.
Hinzu kommt, dass sein Verständnis pathophysiologischer Mechanismen in der klinischen Medizin auch nicht gerade besser ausfällt.
Beispiel, sein Tweet vom 30.03.2021, wo er im Zusammenhang mit den Verbrauchskoagulopathien nach Verabreichung des AstraZeneca-Impfstoffs und der Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) Typ 2 irgendetwas über Heparin-Rezeptoren konfabuliert:
Tatsächlich aggregiert bei der Typ-2-HIT unfraktioniertes Heparin über elektrostatische Wechselwirkungen der negativ geladenen Sulfat- und Amidosulfonat-Gruppen mit dem
Platelet Factor 4 (PF4), einem Chemokin mit positiver Oberflächenpolarisation, zu sogenannten "Ultralarge Complexes" (ULCs).
Gegen diese ULCs werden von den Betroffenen Immunglobulin-G-Antikörper gebildet, die üblicherweise an
Fc-2-gamma-Rezeptoren (auch: CD32) auf Thrombozyten (Blutplättchen) binden und auf diese Weise eine Clathrin-abhängige Endozytose (= Aufnahme in die Zelle durch Clathrin-umhüllte Vesikel) einleiten.
Hier genaueres zum Mechanismus am Beispiel des "antibody-dependent enhancement", ADE):
und auch die Tagesschau lässt mal gerne a weng Informationen weg....
gelachtwird.net
Nun heißen die ULCs aber nicht nur zum Spaß "ultralarge", sondern sind so groß, dass dieser Prozess nicht mehr funktioniert. Daher kommt es stattdessen zu einer Quervernetzung von Thrombozyten durch ULCs aus Heparin und PF4, IgG-Antikörper und die Fc-2-gamma-Rezeptoren auf den Thrombozyten-Membranen und, wissder, gands ellich, ledsden Endes zu makroskopischen Thromben (= Blutgerinseln).
Diese Falschinformationen und Fehlinterpretationen von Studienergebnissen scheinen bei ihm auch kein Einzelfall zu sein. Hier hat sich z.B. ein auch wirklich praktizierender Mediziner die Mühe gemacht, Corona-Kalles Missinterpretationen zu kompilieren:
Vielleicht ist es auch nur Psychohygiene, weil ich eigentlich diese Faktenchecker, Faktenfüchse, Volksverpetzer usw. ganz furchtbar finde, weil da meistens mehr Agenda als Faktencheck hintersteckt.…
brainpainblog.org
Klabauterbachs Problem:
Fehler führen bei ihm nicht zu einer Korregation des eigenen Verhaltens. Er macht denselben Scheiß immer und immer wieder. Sein
Jumping-to-Conclusions-Bias verleitet ihn jedes Mal zu den steilstmöglichen, alarmistischen Behauptungen und Prognosen, obwohl die wenigen und schlechten, vorhandenen Daten das einfach nicht hergeben.
Sei es das Plateau bei der 35er Inzidenz, die angekündigte 2.000er Inzidenz für den Mai, der angeblich vernachlässigbare Saisonaleffekt oder der "Gamechanger" Budesonid, der in einer Open-Label-Studie ohne Placebokontrolle mit Verblindung die Symptomdauer um - lol - einen Tag verkürzt (
"Clinical recovery was 1 day shorter in the budesonide group compared with the usual care group (median 7 days [95% CI 6 to 9] in the budesonide group vs 8 days [7 to 11] in the usual care group; log-rank test p=0·007).").
Statt fehlende und inkonklusive Informationen offen und ehrlich zu kommunizieren, spinnt er sich den Rest einfach ohne empirische Grundlage zusammen. Und wie sieht, fehlen ihm ja teilweise sogar Grundlagenkenntnisse.
Zu Entschuldigungen hat er im Prinzip ein ähnliches Verhältnis, wie Rainer: Für ihn sind das Zauberformeln, mit den man negative Konsequenzen eigenen Fehlverhaltens abwenden kann. Die Überlegungen, was man falsch gemacht hat, warum man es falsch gemacht hat und wie man diese Ursache abstellen kann, damit man den Fehler in Zukunft nicht wiederholt, stellen sich bei ihm einfach nicht ein. Statt sich an den Methoden der evidenzbasierten Medizin zu orientieren, wird er auch weiterhin ohne faktische Grundlage die absurdesten Katastrophenszenarios an die Wand malen.
Was Lauterbach als Xundheitsminister angeht:
Einerseits ist es natürlich "Peak Clown World", dass Lauterbach, dessen prognostische Validität in der Pandemie auf oder sogar noch unter Hildmann-Niveau lag (der ja immerhin den de-facto-Grundrechtsentzug für Ungeimpfte und die Impfpflichten richtig vorhergesagt hatte!) und sein medizinisches Unverständnis und sein Unvermögen zur sachlich korrekten Erfassung und Wiedergabe von Studienergebnissen wiederholt unter Beweis gestellt hat, jetzt eine der Schlüsselpositionen im Krisenmanagement angetragen bekommt.
Andererseits stellt sich die Frage, wen man nach einem gescheiterten Bankkaufmann denn sonst in einem solchen Amt erwartet hätte? Trotzdem besteht deswegen kein Grund zur Sorge, was vor allem drei Gründe hat:
1) Der Schaden ist bereits angerichtet.
Ernsthaft: Was soll er noch großartig verschlimmern? Was kann noch kommen, was nicht schon da war? Nächtliche Ausgangssperren, Ausgangssperren 15 km um den eigenen Wohnort herum, Kontaktverbote selbst unter Familienmitgliedern, Impfpflichten als de-facto-Berufsverbote? Alles schon da oder gerade beschlossen. Und zwar ohne Klabauterbachs (wesentliche) Mitwirkung.
Das größte Schadpotenzial sehe ich hier nicht einmal in von ihm vorangetriebenen, Corona-begründeten Grundrechtsverlusten, sondern in der Aussicht, dass Klabauterbach die
Fachaufsicht über prinzipiell wichtige Behörden, wie z.B. das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte, im Sinne seiner bisherigen Financiers ausübt.
2) Gesundheitspolitik ist Ländersache.
Der allergrößte Teil der wirklich
schädlichen "Maßnahmen" kommt nicht aus der Bundesregierung, sondern entweder aus dem Bundestag (Infektionsschutzgesetze) oder aus der Exekutive auf Landes- oder sogar Kreisebene.
Merkel und Spahn mögen sich zwar ihrer Rolle als Einpeitscher gefallen haben, waren aber letztendlich den Ministerpräsidenten (und nicht einmal den Gesundheitsministern!) der Länder ausgeliefert.
Subsidaritätsprinzip und Richtlinienkompetenz regeln hier.
3) Sein Ministerposten ist ein vergiftetes Geschenk der Parteispitze.
Dieser Punkt wirkt vermutlich zunächst einmal etwas anti-intuitiv und bedarf einer detaillierteren Erklärung:
Gesundheitspolitik ist, zumindest während Goronner als allesüberragendes Thema öffentliche Debatten dominiert, ein "high profile" Bereich, dessen
kritische Entscheidungen de facto im Kanzleramt getroffen werden.
(Das ist ähnlich, wie bei der Außenpolitik, wo auch alle wichtigen Entscheidungsprozesse ohnehin im Kanzleramt stattfinden und es zwischen der SPD und den Grünen offenbar eine stillschweigende Übereinkunft gab, ACAB mit diesem faktisch einflusslosen Posten ruhigzustellen. Wahrscheinlich ist Annerlener, aus dem Völkerrecht kommend, die Einzige, die das bislang noch nicht so wirklich gepeilt hat...)
Zurück zu Klabauterbach: Wenn man irgendetwas Positives über ihn sagen müsste, dann vermutlich, dass er - im Gegensatz zu seinem Kanzler - definitiv
kein "Apparatschik" ist. Er ist also niemand, der im übergeordneten Interesse seiner Partei Selbstzensur betreiben oder auf Selbstdarstellung verzichten würde. Die Zahnfee ist die sprichwörtliche
Axt im Walde, die ohne jegliche Rücksicht auf Verluste, offizielle Parteipositionen und Sensibilitäten etwaiger Koalitionäre munter drauflos
plaudern dramatisieren würde.
Er wäre auch als einfacher Hinterbänkler im Bundestag, der er ab 2009 nach dem Ende von Ulla Schmidt als Gesundheitsministerin durchgängig war, weiterhin von Talkshow zu Talkshow getingelt und hätte fröhlich Regierungspositionen unterminiert, wenn nur Eric Topol, Marc Lipsitch oder Eric Feigl-Ding zuvor seine Suggestibilität nur mit einem alarmistisch genug klingenden Tweet getriggert hätten.
Nebenbei: Kennt hier eigentlich jemand die gudde
Sabine Dittmar? Ich muss gestehen, ich bis vor wenigen Sekunden auch nicht, dabei war sie - und nicht der wesentlich prominentere Lauterbach - bislang
"gesundheitspolitische Sprecherin" der SPD im Bundestag. Das allein zeigt:
Lauterbach ist innerparteilich ziemlich isoliert.
(3/4)