Genderkrieg um Kathleen Stock
Geschlecht ist schlecht
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Gina Thomas, London | Aktualisiert am 30.05.2023 - 07:02
Die Philosophin Kathleen Stock wurde von radikalen Gender-Ideologen diffamiert und aus dem Amt gedrängt. Nun soll sie auch bei öffentlichen Auftritten mundtot gemacht werden.
Vor fast fünfundvierzig Jahren ereiferten sich religiöse Vereinigungen wegen vermeintlicher Gotteslästerung über den Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“, der zur Zeit Christi spielt; eine Szene in diesem Film wirkt aber auch wie eine prophetische Vorwegnahme der aktuellen Gender-Debatten.
Es geht um den Wunsch eines Mannes namens Stan, Frau zu sein und Babys zu bekommen. Als ihm die Unmöglichkeit dieses Begehrens klargemacht wird, protestiert er; seine Mitstreiter von der Widerstandsbewegung gegen die römischen Kolonisatoren machen den Kompromissvorschlag, dass Stan zwar keine Babys haben könne, weil er keine Gebärmutter habe, woran „nicht einmal die Römer schuld sind“, aber dass man dennoch gegen die Unterdrücker kämpfe werde und für Stans Recht, Babys zu bekommen.
Die von John Cleese gespielte Figur findet es blödsinnig, für ein unerreichbares Recht zu kämpfen, woraufhin ihm bedeutet wird, dass dies halt ein symbolischer Kampf der Widerstandsgruppe gegen Unterdrückung im Allgemeinen sei. Cleese behält das letzte Wort. Der Kampf sei symbolisch, ja, aber eben nur für Stans „Kampf gegen die Realität“.
Fanatiker sind für Argumente nicht erreichbar
Zurzeit ist eine für nächstes Jahr in London geplante Bühnenfassung von „Das Leben des Brian“ in Arbeit. Laut Cleese haben die Darsteller ihm nahegelegt, auf diese Szene zu verzichten; man könne solche Witze heute nicht mehr machen. Anders, als Tucholsky argumentierte, darf Satire offenbar nicht mehr alles – vor allem nicht auf dem Feld der Gender-Debatten, wo die Realität die Satire längst übertrifft, wie sich immer wieder aufs Neue zeigt.
An diesem Dienstag ist die Philosophin Kathleen Stock als Rednerin bei der Oxford Union angesagt, dem historischen Debattierverein der Universität, den der ehemalige Premierminister Harold Macmillan als letzte Bastion der Redefreiheit bezeichnet hat.
Seit Wochen versuchen Studentenvereinigungen aber, ihren Auftritt zu verhindern. Stock wird von der Trans-Lobby wie eine Aussätzige behandelt, weil sie darauf beharrt, dass das Geschlecht biologisch bestimmt sei. Aufgrund dieser Auffassung wurde ihr das Leben als Professorin der Universität Sussex von Kollegen und Studenten derart zur Hölle gemacht, dass sie im Oktober 2021 ihre Stelle aufgab.
So nachdrücklich sie sich für die Menschenrechte von Transgender-Personen einsetzt und für einen offenen Diskurs plädiert, wird Stock – wie auch J. K. Rowling und andere gender-kritische Feministinnen – als transphob diffamiert. In Oxford forderte die Studentengewerkschaft, die Einladung an Stock zu widerrufen. Auch solle der Debattierverein wegen seiner „toxischen Kultur der Schikane“ von der Erstsemestermesse ausgeschlossen werden, bei der die von Beiträgen abhängige Organisation neue Mitglieder rekrutiert.
Die Gewerkschaft bestreitet, dass dieser Beschluss mit Stocks Auftritt zu tun habe. Die LGBTQ-Gesellschaft erklärte, „entsetzt“ zu sein, dass der Debattierverein der „transphoben und transexklusiven Sprecherin“ eine Plattform bieten wolle, um ihre „Kampagne des Hasses und der Desinformation“ gegen Transpersonen nach Oxford zu bringen.
Mehr als vierzig Akademiker unterschiedlicher politischer Orientierung, darunter der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der Physiker Jonathan Jones, der Historiker Lawrence Goldman und der Moraltheologe Nigel Biggar, haben in einem Brief an den „Daily Telegraph“ kritisiert, dass Stocks Gegner die Ansichten der Philosophin für so unzulässig zu halten scheinen, dass sie nicht einmal vor intelligenten Erwachsenen in einem renommierten Debattierverein diskutiert werden dürfen. Andere Verteidiger der Redefreiheit weisen darauf hin, dass es sich bei den Agitatoren um eine „aggressive Minderheit“ handle.
In den letzten Tagen hat diese Minderheit erreicht, dass Sir Ed Davey, der Parteiführer der Liberalen, erklärte, Frauen könnten „ganz eindeutig“ einen Penis haben, und dass Baronin Falkner beinahe vom Vorsitz der Gleichheits- und Menschenrechtskommission geschasst wurde – unter anderem wegen der falschen Behauptung, Falkner habe eine Transfrau als „Kerl mit Lippenstift“ bezeichnet. Tatsächlich hat sie die Beleidigung lediglich als Beispiel für die Schwierigkeiten zitiert, denen Transmenschen begegnen. Kathleen Stock hat aus alledem die traurige Lehre gezogen, dass den entschlossenen Meinungen von Fanatikern mit Argumenten nicht zu begegnen sei.